Wo die Fledermäuse in St. Pölten leben – „Fledermausführungen“ von Ingrid Leutgeb-Born zu St. Pöltens Traisen-Quartieren der bedrohten Flugsäuger

In St. Pölten lebt eine Vielzahl an Fledermausarten. Bei der "Fledermausführung" kann man sie beobachten.
In St. Pölten lebt eine Vielzahl an Fledermausarten. Bei der "Fledermausführung" kann man sie beobachten.
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Faszinierend: Der Fledermausflug in St. Pölten

In St. Pölten lebt eine Vielzahl von Fledermausarten. Bei der St. Pöltner „Fledermausführung“ kann man das Ausschwärmen der Fledermäuse beobachten. Ingrid Leutgeb-Born informiert bei diesem „begleiteten Naturspaziergang“ über die vom Aussterben bedrohten Flugsäuger und ihre Vorkommen in St. Pölten, wo in den Jahren 2010-2012 eine „Fledermauserhebung“ durchgeführt wurde. Mit überraschenden Ergebnissen.

Ganze 18 Fledermausarten gibt es in der Landeshauptstadt St. Pölten. Der „Große Abendsegler“, die größte unter ihnen, fliegt in großen Schwärmen schon in der Dämmerung aus. In St. Pölten passiert dies an zwei Brücken der Traisen. „Das ist wie ein kleines Feuerwerk“, sagt Ingrid Leutgeb-Born. „Innerhalb von drei Minuten schwärmen da an die Hundert Fledermäuse aus.“

„Fledermausführungen“ in St. Pölten von Ingrid Leutgeb-Born

Fasziniert von diesem Naturereignis bietet Ingrid Leutgeb-Born seit dem Jahr 2012 „Fledermausführungen“ im Rahmen der „Natur-spaziergänge“ der Stadt St. Pölten an. Jeder kann dabei mit ihr das „Feuerwerk“ des Fledermaus-Abflugs beobachten und vieles über Fledermäuse lernen. Ingrid Leutgeb-Born ist Leiterin des Referats „Umweltschutz – Lebensraum“ der Stadt St. Pölten.

Fledermäuse – die Insekten-Jäger mit Ultraschall-Ortung

Fledermäuse sind nachtaktiv und jagen Insekten. Mit Ultraschall, also Lautfrequenzen, die oberhalb des Hörbereichs der Menschen liegen, finden sie ihren Weg und orten sie ihre Beute. „Wobei sie verschieden jagen – je nach Fledermausart“, sagt Ingrid Leutgeb-Born. „Zwischen der Höhe der Ultraschallfrequenz je nach Fledermausart und ihrem Jagdraum und ihren Beutetieren besteht ein Zusammenhang.“

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Der Ruf der größten Fledermausart in St. Pölten, des „Großen Abendseglers“, hat die relativ tiefste Ultraschallfrequenz. Damit ortet er zielgenau bis auf 200 Meter. Seine Beute sind größere Insekten. Sein Jagdraum der freie Himmel – etwa über dem Flussbett der Traisen. Ganz anders etwa die kleinste Fledermaus in St. Pölten, die „Mückenfledermaus“. Sie ortet mit viel höherem Ultraschall auf kurze Distanzen und kleinste Insekten. Und fliegt auch quer durch die Bäume – ganz engräumig, aber sicher und wendig durch Baumkronen hindurch, ohne Zweige und Blätter zu streifen.

Geschützt und vom Aussterben bedroht – aber wichtig für die Natur

Fledermäuse sind geschützte Tierarten und ökologisch äußerst wertvoll für das Gleichgewicht der Natur. Die meisten Fledermausarten sind gefährdet. Sie könnten bald aussterben. Daher hat die Stadt St. Pölten im Jahr 2010 eine „Fledermauserhebung“ begonnen, unter Leitung von Ingrid Leutgeb-Born. Damit sollten die Lebensräume der Fledermäuse in St. Pölten erforscht werden, um diese Lebensräume in der Stadtplanung und künftigen Stadtentwicklung schützen zu können. Drei Jahre lang lief diese Fledermauserhebung, die in Zusammenarbeit mit FG Lanius, KFFÖ und CoopNatura durchgeführt wurde.

18 Fledermausarten in St. Pölten zuhause – ein gutes Zeichen

Das überraschende Ergebnis war: Die Landeshauptstadt St. Pölten hat eine Vielzahl an Fledermausarten – nämlich 18 von insgesamt 28 in ganz Österreich, die nachgewiesen werden konnten. „Das ist für mich ein gutes Zeichen, dass wir in St. Pölten immer noch so vielfältige Naturlebensräume haben, dass auch seltene und stark bedrohte Fledermäuse bei uns ihren Platz finden“, freut sich Ingrid Leutgeb-Born, die Leiterin des Referats „Umweltschutz – Lebensraum“ im Magistrat.

Fledermausführung mit dem „Bat-Detektor“ – die Rufe hörbar machen

Mit einem „Bat-Detektor“ geht es am Abend bei der „Fledermaus-führung“ mit Ingrid Leutgeb-Born hinaus zur Dr.-Julius-Raab-Brücke an der Traisen. Eine der grünen Adern von St. Pölten. Dort hat der „Große Abendsegler“ ein großes Fledermaus-Quartier. Fliegen sie aus, dann können ihre Ultraschall-Rufe mit dem „Bat-Detektor“ hörbar gemacht werden. „Es war für mich selbst eine ‚neue‘ Kategorie von Naturerlebnis“, beschreibt Leutgeb-Born ihre eigene erste Fleder-maus-Ausflugsbeobachtung im Jahr 2010, „und hat mich so begeistert, dass ich dies auch anderen Menschen mit der ‚Fledermausführung‘ ermöglichen möchte.“

Bis zu 40 cm Flügelspannweite – die größte und die kleinste Fledermaus

Die häufigste Fledermaus in St. Pölten ist der „Große Abendsegler“, der ausgewachsen eine Flügelspannweite von 40 cm haben kann – bei einer Rumpfkopflänge von bis zu 10 cm. Die kleinste Fledermaus in St. Pölten, die „Mückenfledermaus“, misst demgegenüber nur 3 bis 5 cm Länge mit einer Spannweite von 18 bis 24 cm. Eine kleine Sensation bei der St. Pöltner „Fledermauserhebung“ war der Nachweis zweier ganz seltener, in Europa stark gefährdeter Fledermausarten in St. Pölten: der Mops- und der Bechsteinfledermaus.

Kopfüber hängend schlafen – das große Weibchen-Quartier in Pottenbrunn / St. Pölten

Tagsüber schlafen die Fledermäuse, alle kopfüber hängend. Und im Winter halten sie überhaupt Winterschlaf. Dafür haben sie Sommer- und Winter-Quartiere, aber streng getrennt nach Weibchen und Männchen. Unter Brücken, in Dachstühlen, in Kirchtürmen, in Fels- und Baumhöhlen, überall können sie, je nach Fledermausart, zuhause sein. Während zwei Traisenbrücken in St. Pölten Fledermaus-Männchenquartiere sind, wurde in Pottenbrunn in einem Bauernhof ein großes Weibchen-Quartier entdeckt – mit rund 200 „Wimperfleder-mäusen“, die dort wohnen. Darüber hinaus sind Altbaum-Bestände und Altbaum-Wälder (wie im St. Pöltner Stadtwald („Kaiserwald“) oder am GÜPI Völtendorf) und naturnahe Gärten (wie besonders häufig im St. Pöltner Villenviertel) beliebte Orte der Fledermäuse.

Das Weibchen entscheidet – wie der Fledermaus-Nachwuchs entsteht

Das Weibchenquartier in Pottenbrunn ist eine sog. „Wochenstube“. Dort werden von den Fledermaus-Weibchen, die ganz unter sich sind, die Jungen aufgezogen. Nur ein Mal pro Jahr gibt es Nachwuchs. Und nur zur Zeit der Balz kommen sich Männchen und Weibchen näher. Das ist im Spätsommer und Herbst. „Wenn sich Fledermäuse paaren, dann findet aber nicht gleich die Befruchtung statt“, erklärt Ingrid Leutgeb-Born. Das ist eine Besonderheit der Fledermäuse. Erst nach dem Winterschlaf entscheidet das Weibchen, ob es dazu kommt. Dazu hat es den Samen des Männchens in sich in einer Art Tasche aufgespart. „Wenn das Weibchen im Frühjahr erwacht und spürt, dass es genug zu fressen gibt, dann erst sozusagen lässt es die Befruchtung in ihrem Körper stattfinden“, so Leutgeb-Born.

Flauschiges Fell – aber Fledermäuse trotzdem nicht anfassen

Ein weiches, flauschiges Fell haben die Fledermäuse. Ihre Flügel sind aus weicher, sehr elastischer Haut. Und dennoch sollte jeder der Versuchung widerstehen, sie ohne festere Handschuhe anzufassen, falls er eine Fledermaus findet, betont Ingrid Leutgeb-Born. Denn die Fledermäuse, die für Menschen sonst völlig harmlos und ungefährlich sind, verteidigen sich wie alle Wildtiere, wenn man ihnen zu nahe kommt. Und wie bei allen Wildtieren könnte ein Biss unter Umständen eine Krankheit übertragen. Daher, falls: Fledermäuse nur mit festen Handschuhen anfassen.

Im Garten auf Insektizide verzichten – ein Schutz für die Fledermäuse

Darüber hinaus könnte jeder einiges tun, um Fledermäuse zu schützen. Vor allem der Verzicht auf Insektizide im Garten und in der Landwirtschaft wäre für die Fledermäuse ein wahrer Schutz und Gewinn. „Eine Bedrohung für die gefährdeten Fledermäuse sind eigentlich alle Insektengifte im Garten und in der Landwirtschaft“, erklärt Leutgeb-Born. „Die Insektizide reichern sich nämlich in der Nahrungskette an. Und kommen so schließlich auch in die Muttermilch der Fledermäuse.“

Die „Fledermausführungen“ – Auskunft beim Tourismusbüro St. Pölten

Wer noch mehr wissen will und die faszinierenden Fledermäuse aus der Nähe hören und sehen möchte, ist daher eingeladen, in St. Pölten an einer der „Fledermausführungen“ von Dipl.-Ing. Ingrid Leutgeb-Born teilzunehmen. Organisiert werden sie vom Tourismusbüro St. Pölten, das gerne dazu Auskunft gibt und weitere Termine organisiert.

magzin.at

Der Artikel steht als pdf zum Download kostenfrei zur Verfügung:[wpdm_file id=68]

 

Bei Interesse an der „Fledermausführung“ und für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an das:

Tourismusbüro St. Pölten
3100 St. Pölten, Rathausplatz 1
Tel. 02742 / 353 354 | Email:

weitere Infos zu den aktuellen Fledermausführungen unter:
magzin.at / Programm: Begleitete Naturspaziergänge St. Pölten 2014

Foto Artikelanfang: © Valeriy Kirsanov – Fotolia.com
Fotos Bildstrecke: © DI Ingrid Leutgeb-Born & Michael Peter Leutgeb / siehe Einzelbilder
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